Geschichtlicher Überblick zu Handwerk und Gewerbe in Weisel
Die wirtschaftliche Struktur in Weisel war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts fast ausschließlich von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben und der Forstwirtschaft geprägt. Fehlende Rohstoffe und eine durch die Topographie schwierige Verkehrserschließung ließen keine industrielle Entwicklung zu. So entwickelte sich parallel zur Landwirtschaft ein ausgeprägtes Handwerkertum, welches sich bis heute noch weitgehend erhalten hat.
Es ist nahe liegend, dass sich diese Berufe an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierten, d.h. Wohnungsbau, Kleidung, den Bau von landwirtschaftlichen Geräten, einschließlich Wagenbau, sowie der Lebensmittelverarbeitung. So gab es in Weisel einige Wassermühlen, die bis auf eine Ölmühle aber ausschließlich als Getreidemahlmühlen fungierten. Einige Berufe sind inzwischen kaum noch vorhanden oder gar ausgestorben, so z.B. der des Wagners.
In der Forstwirtschaft spielte neben der Gewinnung von Nutz- und Brennholz die Erzeugung von Holzkohle eine bedeutende Rolle. Diese fand überwiegend in der Metallverarbeitung bei den Schmieden ihre Verwendung, zumal man kaum Zugang zu Stein- oder Braunkohle hatte. Ebenso betrieb man die Gewinnung von Eichenlohe, die zum Leder gerben und in der Medizin Verwendung fand. Dafür boten die Niederwaldbestände mit ihren Eichen gute Voraussetzungen.
Folgende Berufe sind in im Jahre 1864 in Weisel verzeichnet:
Zimmerleute, Maurer, Schieferdecker, Steinmetze und Schreiner, Wagner, Schmiede, und Sattler, Schuster, Schneider, Bäcker und Metzger, ebenso Gastwirte und Brandweinbrenner. Aber auch fast vergessene Berufe wie Leinweber, Korbmacher, Nagelschmiede, Rechenmacher, Steinschläger und Hauderer. Steinschläger waren im Straßenbau tätig, Hauderer waren Fuhrleute, die entsprechende Wagen und zugkräftige Pferdegespanne besaßen, um den Holztransport und später die Transporte von Schiefer und Versorgungsgütern zur Bahnstrecke nach Kaub vorzunehmen.
Als man im 19. Jahrhundert im Herzogtum Nassau aus brandschutztechnischen Gründen dazu überging, die Dächer der Wohnhäuser, anstatt wie bisher üblich mit Stroh mit Schiefer einzudecken, entstand mit dem systematischen Schieferabbau in Weisel und Umgebung ein neuer Wirtschaftszweig. Diese Entwicklung führte zur Schaffung von Arbeitsplätzen und sorgte für einen gewissen wirtschaftlichen Aufschwung in der Region. So wurden zunächst Grubenfelder Übertage erschlossen. Später ging man zum Stollen und Schachtabbau über. Der Untertagebau war gefährlich und brachte Probleme mit dem anstehenden Grundwasser. Erst der Einsatz von leistungsfähigen Pumpen löste diese Probleme. Eine zunehmende Mechanisierung beider Gewinnung und der Verarbeitung des Schiefers und der Einsatz von immer effizienteren Sprengstoffen trugen dazu bei, dass Weiseler Schiefer bis weit die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts konkurrenzfähig erzeugt und Deutschlandweit vertrieben wurde.
Im 19. Jahrhundert ging man immer mehr dazu über, Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude anstatt aus Fachwerk mit Ziegelsteinen zu errichten. Die geschah im Hinblick auf den Brandschutz, war aber auch ein Statussymbol. So entstand auch in Weisel eine Ziegelbrennerei die sogenannte Backsteinfabrik. Viele heute in Weisel noch existierend Gebäude sind mit diesen Backsteinen erstellt. Es ist allerdings eine Legende, dass die Ziegel des Weisel Rathauses aus dieser Produktion stammen. Ziegel in dieser Qualität und Oberfläche konnte man in Weisel nicht herstellen.
Nur noch der Flurnamen Eisenkaut deutet noch darauf hin, dass in Weisel einmal Brauneisenerz im Tagebau geschürft wurde. Im Jahre 1856 wurde die „ Gewerkschaft der Eisengrube bei Weisel“ gegründet. Geringe Qualität der Erzvorkommen, Probleme bei Verhüttung und beim Transport, sowie die neu entstehende Stahlindustrie im Ruhrgebiet ließen diese „Eisenzeit“ in Weisel nur eine kurze Episode sein.
Als in der Mitte des 20. Jahrhunderts die Verkehrswege für den Güterverkehr erschlossen wurden, und Arbeitnehmer vor allem Facharbeiter durch die Motorisierung des Verkehrs mobiler wurden und somit schneller und bequemer ihren Arbeitsplatz erreichen konnten, entstanden auch in Weisel kleine Industriebetriebe. So ein Unternehmen für Elektrotechnik und eines für Maschinenbau. Diese schufen im Laufe der Zeit viele qualifizierte Arbeits- und Ausbildungsplätze in der gesamten Region.
Auch die Bundeswehr war zeitweise ein bedeutender Arbeitgeber in der Region. In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden im benachbarten Dorf Ransel und nahe der Stadt Lorch große Depots sowohl über Tage als auch als Untertageanlagen errichtet. Viele Verwaltungskräfte, Facharbeiter, Soldaten aber auch weniger qualifizierte Menschen, die in der mechanisierten Landwirtschaft keine Beschäftigung mehr fanden, erhielten dort einen sicheren Arbeitsplatz. In Folge der Deutschen Wiedervereinigung und der weltpolitischen Veränderungen wurden diese Depots im Jahre 2009 von der Bundeswehr endgültig aufgegeben.
So hat der Strukturwandel auch vor Weisel nicht halt gemacht, so gibt es nur noch wenige landwirtschaftliche Vollerwerbs- und einige Nebenerwerbsbetriebe, die Forstwirtschaft ist weitestgehend mechanisiert und der Bergbau ist völlig zum erliegen gekommen. Der größte Teil der Weiseler Erwerbstätigen muss als Berufspendler weite Wege bis hin zum Rhein- Main Gebiet auf sich nehmen. Der Trend zum Wohn- und Schlafdorf zeichnet sich auch hier ab.