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2. Politische Zugehörigkeit

Ursprünglich gehörte Weisel zum Einrichgau, der auf die fränkisch-karolingische Gliederung des Landes in einzelne Gaue zurückgeht, die von Grafen verwaltet wurden. Seit 1031 war das Erzbistum Trier im Besitz des Einrichgaus und hatte die Grafschaft an die Familie von Arnstein an der Lahn verliehen. Deren letzter männlicher Vertreter Ludwig III. von Arnstein zog sich 1139 in sein selbstgegründetes Kloster Arnstein zurück. Weisel war zu diesem Zeitpunkt zusammen mit Kaub, Dörscheid und Sauerthal vermutlich schon aus dem Einrichgau herausgelöst worden. Adelind, Tochter Arnolds von Arnstein, die um 1040 den Grafen Berthold I. von Nüring(en) geheiratet haben und 1061 schon wieder verwitwet gewesen sein soll, könnte diesen südlichen Teil des Einrichgaus als Mitgift bekommen haben. Die Grafen von Nüring(en) waren Grafen in der Wetterau und wurden von den Herren von Falkenstein und Münzenberg beerbt, nach denen die Burg Nüring bei Königstein im Taunus in Falkenstein umbenannt worden ist. (1)

Als die Herren von Falkenstein und Münzenberg 1275 ihren Besitz teilten, erhielt Philipp von Falkenstein oder Münzenberg die Kirche in Weisel zu seinem alleinigen Besitz; Menschen, Gerichte und Güter in Weisel und Kaub wie auch den Zoll behielten er und sein Bruder Werner gemeinsam. 1277 verkaufte Philipp seinen Anteil Güter in Weisel und Kaub mit Ausnahme eines Hofes an den Grafen Ludwig II. von Kurpfalz. 1289 verkaufte auch sein Bruder seinen Anteil. Fortan gehörten Weisel und die genannten Orte zur Kurpfalz und wurden später administrativ zum Unteramt Kaub vereint, das dem Oberamt Bacharach unterstand.

Auch andere Adelsgeschlechter hatten Besitz in Weisel: Graf Heinrich von Spanheim (oder Sponheim) verkaufte seine vom Grafen von Berg herrührenden Güter in Weisel und Kaub 1291 ebenfalls an die Kurpfalz. Andere, kleinere Güter, die zum Teil nur aus Wiesen bestanden, blieben bis ins 19. Jahrhundert im Besitz einzelner adeliger Familien (Wallendorf, Adelsheim, von Stein) oder dem Mainzer Domkapitel, das hier seit 1128 begütert war (siehe Zur Entstehung von Weisel). Die Freiherren von Sickingen und ihre Vorgänger, die Herren von Kronberg, die Brömser von Rüdesheim und die Freiherren von Metternich, die nacheinander fast drei Jahrhunderte die Sauerburg und den dazugehörigen Fronhof (heute Sauerberger Hof) als pfälzisches Lehen in Besitz hatten, waren bis 1785 auch Besitzer des Fronhofes in Weisel, an den viele Bürger Hühner- und Geldzinsen zahlen mussten.

Ein wichtiges Datum für Weisel ist das Jahr 1324. Am 23. März 1324 erhielt Weisel von König Ludwig dem Bayern, der sich gerade auf Burg Fürstenberg bei Rheindiebach aufhielt, die gleichen Rechte wie Boppard, also das Stadtrecht zugesprochen. Ludwig war der Onkel von Adolf, dem damals regierenden Wittelsbacher Pfalzgrafen bei Rhein und Herzog von Bayern. Es war eine Geste der Versöhnung, nachdem sich die beiden zuvor im Wittelsbacher „Bruderzwist“ heftig bekämpft hatten. Sechs Tage später, am 29. März, übertrug Adolf mit Ludwigs Zustimmung das Patronatsrecht der Weiseler Kirche samt dem Zehnten (eine Abgabe, die den zehnten Teil der Ernte betrug) dem nassauischen Kloster Klarenthal bei Wiesbaden, in dem seine Mutter begraben war. Das Kloster war wenige Jahre zuvor von Ludwig zerstört worden und sollte nun wieder aufgebaut werden. Mit dem Patronatsrecht verknüpft war das Recht, den Weiseler Pfarrer einzusetzen. Spätestens mit der Auflösung des Klosters Klarenthal 1559 kam das Weiseler Patronatsrecht wieder zurück an die Kurpfalz.

 

Die Randlage von Weisel an der Grenze zu drei anderen Landesherrschaften (Hessen, Nassau und Mainz) wie auch die sprunghaft ansteigende Bedeutung des Wasserweges und des Rheinzolls bei Kaub verhinderten eine Stadtentwicklung. Dafür wurden Weisel und der Schwestergemeinde Dörscheid im Jahr 1419 von der kurpfälzischen Herrschaft weitreichende Freiheiten zugestanden: Fortan waren sie von Kaub getrennt und durften zusammen ein eigenes Dorfgericht unterhalten mit sieben Gerichtsschöffen, wovon einer der Schultheiß sein sollte. In diesem Gericht wurden fortan „Schuld, Scheltworte und solche geringe Sachen“ verhandelt und Recht gesprochen. Zur Selbstverwaltung gehörte auch ein Rat mit sechs Mitgliedern, aus deren Mitte die zwei Bürgermeister gewählt wurden und vier (in Weisel) bzw. zwei (in Dörscheid) Viertelmeister, die über die Geschicke der beiden Orte bestimmten und kleinere Rechtsstreitigkeiten selbst lösen konnten. Bis auf den Schultheißen, der von der Obrigkeit ernannt wurde, wurden diese Ämter von den Bürgern – damals die männlichen Haushaltsvorstände – selbst bestimmt oder gewählt. Die einzige Wahl, bei der (nur) die Frauen abstimmen durften, war die Wahl der Hebamme. Auch das Jagdrecht in ihren Wäldern gehörte zu den alten Rechten, die die Weiseler und Dörscheider Bürger besaßen. Leibeigenschaft gab es in kurpfälzischer Zeit spätestens seit dem 15. Jahrhundert nicht mehr.

An die pfälzische Landesherrschaft und die Herren des Fronhofs hatten die Bürger und Beisassen den Zehnten (spätestens ab 1559) und etliche andere Abgaben (Schatzung, Leibbede, Licentgebühren, Leibhühner etc.) zu entrichten, ursprünglich Naturalleistungen der leibeigenen Bevölkerung, die schon früh weitestgehend in Steuerzahlungen umgewandelt worden waren, wobei sich die Höhe der Schatzung meistens nach dem Wert des jeweiligen Besitzes bemaß. Der Korn- und der Haferzehnte wurde nach dem Dreißigjährigen Krieg, in dem die Zehntscheuer abgebrannt war, jedes Jahr an Weiseler, Dörscheider oder Kauber Bürger versteigert. Vor der Ernte wurde der zehnte Teil geschätzt und der Erlös ausgerechnet. Nun boten die Steigerer der Herrschaft einen bestimmten Geldbetrag für den jeweiligen Zehnten an, und das höchste Gebot bekam den Zuschlag. Die Bauern lieferten dann den zehnten Teil ihres Ertrages an die Steigerer ab, die ihn weiter verkauften und damit offenbar einen gewissen Gewinn erzielten. Zu den Steuern und Abgaben kamen Frondienste hinzu, zu denen jeder Bürger verpflichtet war, und die beim Ausbau der Straßen, der Versorgung der Burg Gutenfels und der Befestigung von Stadt und Rheinzoll in Kaub geleistet werden mussten.

Nach dem Ende der Kurpfalz 1803 und der Reorganisation der deutschen Staaten wurde das Unteramt Kaub dem Haus Nassau-Usingen zugesprochen, das 1806 den Herzogtitel erhielt und Wiesbaden als Residenzstadt des neuen Herzogtums Nassau wählte. Zunächst Teil des herzoglich-nassauischen Amtes Kaub, wurde Weisel nach einer Reorganisation 1817 Teil des Amts St. Goarshausen. Als Herzog Adolf von Nassau sein Herzogtum 1866 an Preußen verlor, wurde Nassau in den Regierungsbezirk Wiesbaden umgewandelt, gehörte zur Provinz Hessen-Nassau und war damit Teil des preußischen Staates, der 1871 Teil des Deutschen Reiches wurde. Ab 1885 gehörte Weisel nach einer erneuten Verwaltungsreform zum Kreis St. Goarshausen, zu dem neben dem gleichnamigen Amt auch die Ämter Braubach und Nastätten gehörten. Die zum Ende des Zweiten Weltkriegs hier einmarschierten Amerikaner wurden im Juli 1945 von den Franzosen abgelöst, die die ehemaligen nassauischen Kreise zunächst dem Regierungsbezirk Koblenz anschlossen, der Teil der Provinz Rheinland-Hessen-Nassau war, aus dem zusammen mit der Pfalz am 30.08.1946 das Land Rheinland-Pfalz als Teil der Bundesrepublik Deutschland entstand.

Der Kreis St. Goarshausen wurde 1962 in Loreleykreis umbenannt. (2) Mit der Gebietsreform in Rheinland-Pfalz 1972 verlor Weisel weitestgehend seine Eigenständigkeit und wurde Teil der Verbandsgemeinde Loreley und damit Teil des Rhein-Lahn-Kreises mit Sitz der Kreisverwaltung in Bad-Ems.

Anmerkungen:

1) Christian Daniel Vogel: Beschreibung des Herzogtums Nassau, Kirberg 1843 (Nachdruck Liechtenstein 1982), S. 195 ff.

(2) Die Landkreise in Rheinland-Pfalz, Bd. 5: Der Loreleykreis. Regierungsbezirk Montabaur, Speyer 1965.