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3. Kirchengeschichte

Kirchlich gehörte Weisel ursprünglich zur Diözese und zum Erzbistum Trier, das am Mittelrhein schon vor dem 11. Jahrhundert Fuß gefasst hatte und seit 1031 im Besitz der Einrichgauer Grafschaft war, die es später an die von Arnstein verlieh (siehe dazu Politische Zugehörigkeit). Weisel wird zwar erst 1128 zum ersten Mal erwähnt, bestand aber zu diesem Zeitpunkt sicher schon länger und hatte höchstwahrscheinlich auch schon eine Kirche. Sie war St. Andreas geweiht, was ein Hinweis sein könnte auf ihre Gründung. Der Heilige Andreas wurde besonders von dem Trierer Erzbischof Egbert von Holland verehrt, der 977 bis 993 amtierte. Er stiftete den berühmten Andreas-Tragaltar und die Andreas-Kapelle am Trierer Dom. Da er sich sehr um den Ausbau seines Landes und die Kirchen und Klöster bemühte, ist es denkbar, dass er auch die Gründung der Kirche in Weisel veranlasste.

Wer die Grundherrschaft über Weisel besaß, besaß auch das Patronatsrecht. Es beinhaltete das Recht, den Pfarrer einzusetzen und das Privileg, den Zehnten einzuziehen. Der Zehnte war seit dem 6. Jahrhundert „die wichtigste Abgabe der Laien an die Kirche“ (1), also eine Art Kirchensteuer, die dem Unterhalt von Kirchengebäuden und Pfarrern diente. Sie umfasste den zehnten Teil der Feldernte in jedem Jahr, konnte aber auch das Vieh miteinschließen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Zehnte immer weiter aufgespalten, Teile davon verschenkt oder verliehen. 1684 berichtet die Gemeinde Weisel, dass der Kornzehnte damals der kurpfälzischen Herrschaft allein, der Hafer- und der Lämmerzehnte aber zu einem Sechstel dem Haus Sauerberg gehörten. Ursprünglich wurde der Zehnte als Naturalabgabe in der Zehntscheune gesammelt, die in Weisel auf dem heutigen Rathausplatz gestanden hatte und im Dreißigjährigen Krieg abgebrannt war. Später wurde dies durch Geldabgaben abgelöst.

Als Philipp II. von Falkenstein, dessen Familie Weisel vermutlich seit dem 11. Jahrhundert besessen hatte (siehe dazu Politische Zugehörigkeit) 1277 seine Güter in Weisel an die Kurpfalz verkaufte, war darin auch das Patronatsrecht eingeschlossen. Am 29. März 1324 übertrug Adolf, der damals regierende Wittelsbachische Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern, das Patronatsrecht der Weiseler Kirche samt dem Zehnten dem nassauischen Kloster Klarenthal bei Wiesbaden (siehe dazu Politische Zugehörigkeit). Weisel war zum damaligen Zeitpunkt die Mutterkirche von Dörscheid und Kaub, der dortige Pfarrer erhielt 10 Mark und 27 Albus an Besoldung, der Kauber Pfarrer nur 5 Mark (2). Kaub wurde kurze Zeit später um 1340 zur eigenständigen Pfarrei erhoben. Nach der Reformation, die spätestens 1546 im Unteramt Kaub Einzug hielt, und der Auflösung des Klosters Klarenthal 1559 wurde das Patronatsrecht von Kurpfalz wieder zurückgenommen. Weisel und seine Nachbarorte wechselten mit dem jeweiligen pfälzischen Landesherren nun mehrmals die Religionszugehörigkeit, mal war das lutherische, mal das reformierte Bekenntnis vorgeschrieben, bis sich das letztere schließlich durchsetzte, nicht ohne Widerstand der Bewohner. So sind in den Jahrzehnten vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) etliche Konflikte der Pfarrer mit den Weiseler und Dörscheider Bürgern in den Kirchenbüchern festgehalten, die am lutherischen oder katholischen Glauben festhalten wollten. Letztlich setzten sich Pfarrer, Obrigkeit und das reformierte Bekenntnis aber durch. Spätestens bis zum Ende des 17. Jahrhunderts waren die Einwohner beider Dörfer überzeugte Anhänger des reformierten Glaubens, die sich – wie die Mehrheit der pfälzischen Bevölkerung – auch von den Rekatholisierungsversuchen der katholischen Regierung von Pfalz-Neuburg ab 1685 nicht mehr davon abbringen ließen (3).

Von auswärts zogen nach dem Dreißigjährigen Krieg katholische Neubürger in Weisel zu. In Kaub wurde spätestens ab 1685 wieder regelmäßig katholischer Gottesdienst abgehalten und eine neue katholische Gemeinde gegründet. Versuche seit 1699, ähnlich wie die Kauber Kirche auch die Weiseler Kirche zwischen Katholiken und Evangelischen zu teilen, scheiterten schließlich am Widerstand der reformierten Bewohner. Unter Katholiken und Reformierten in Weisel gab es in dieser Zeit erhebliche Spannungen, die sich in handfesten Auseinandersetzungen äußerten: 1699 läuteten die Katholiken die Glocken, so dass die Reformierten dachten, es wäre ein Brand ausgebrochen, aus Empörung fingen sie eine wilde Schlägerei an, für die sie später vom Kauber Zollschreiber hart bestraft wurden. Im gleichen Jahr besetzte ein katholischer Priester zusammen mit Weiseler und Sauerthäler Katholiken den Chor der Weiseler Kirche und errichtete einen Altar. Mit der Pfälzischen Religionsdeklaration von 1705 wurde allen drei Konfessionen (reformiert, lutherisch und katholisch) Gewissens- und Kultfreiheit zugesagt, das Kirchenvermögen im Verhältnis 5:2 zwischen Reformierten und Katholiken geteilt und die Kirchen jeweils einer Konfession zugesprochen (4). So ging auch die Weiseler Kirche 1707 endgültig wieder in das Eigentum der reformierten Gemeinde über.

Einfluss nahm die pfälzisch-katholische Regierung aber weiterhin bei der Besetzung der Ämter: auch in Weisel sollten die Funktionsträger möglichst katholisch sein. Mit Christoph Hiernonymus Nagel trat 1705 der erste katholische Schultheiß sein Amt an, der letzte war Carl Simon, der bis in die nassauische Zeit amtierte. 1721 errichtete die Gemeinde eine erste katholische Schule, und 1758 wurde auf dem Grundstück des früheren Schultheißen Tack neben dem Kirchhof von den katholischen Bürgern eine eigene St. Michaels-Kapelle erbaut, die 1764 geweiht wurde. Mitte des 19. Jahrhunderts war sie baufällig und wurde nach 1852 abgerissen. Die katholische Gemeinde baute daraufhin aus eigenen Mitteln 1855 die neue Sebastianskapelle in der Altpforter Straße, die 1856 geweiht wurde. Ihr wertvollster Besitz ist ein Andachtsbild aus dem Jahr 1401, gestiftet von „I. H. Maas, Ambtskeller zu Dexheim auf dem Zoll zu Esserot gebohren in dem Ambt Caub“.

Die alte reformierte Weiseler Kirche, die über einen Chor verfügt hatte, war gegen Ende des 18. Jahrhunderts wegen fehlender Reparaturen (die kurpfälzischen Herrscher investierten ihr Geld zu der Zeit lieber in den Bau und Unterhalt des Mannheimer Schlosses als in reformierte Landkirchen) so baufällig, dass sie 1773 abgerissen und 1775-1778 neu errichtet werden musste. Der Kirchturm wurde erst 1781-1783 neu gebaut, war aber so fehlerhaft konstruiert, dass er schon dreißig Jahre später wieder vom Einsturz bedroht war und 1815 erneut abgerissen werden musste. 1821-1823 wurde der heutige Turm nach einem Gutachten und Plänen von Christian Zais aus Wiesbaden fertiggestellt. Aus der alten Kirche wurden die drei Glocken übernommen: Die kleinste, die den Namen Maria trägt und 1513 gegossen worden ist, stammt noch aus der katholischen Zeit. Die große Glocke wurde im Jahr 1553 von Paul Fischer und Hans Weisbrod aus Bingen gegossen und im Zweiten Weltkrieg zum Einschmelzen weggebracht. 1945 wurde sie unversehrt wiedergefunden und am 06.01.1948 wieder nach Weisel zurücktransportiert. Beide Glocken hängen heute wieder im Kirchturm und läuten täglich wie schon seit fast 500 Jahren. Mit der mittleren Glocke hatten die Weiseler weniger Glück. Sie war 1661 gegossen worden und trug die Namen des damaligen Pfarrers Martin Schramm, des Schultheißen Nikolaus Fetz und der amtierenden Ratsleute. 1896 wurde sie umgegossen, weil sie einen Sprung hatte, und verlor dadurch ihre alte Inschrift. Sie musste schon im Ersten Weltkrieg abgegeben werden und wurde eingeschmolzen. 1928 schaffte die Gemeinde stattdessen eine neue Glocke an, die wiederum dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer fiel. 1951 stiftete das Ehepaar Kleinböhl zur Erinnerung an ihren gefallenen Sohn Karl eine neue Glocke, die den Namen „Carolus“ erhielt und die das Ensemble wieder komplettierte.

Nachdem eine erste Orgel von dem Orgelbauer Johann Friedrich Macrander aus Frankfurt 1721 in der Weiseler Kirche aufgestellt worden war, ließ man in der neuen Kirche 1780 eine Orgel von dem bekannten Orgelbauer Johann Friedrich Stumm und seinem Sohn Friedrich Carl Stumm aus Rhaunen-Sulzbach im Hunsrück bauen. Das Gehäuse ist bis heute erhalten, die Einbauten wurden 1922 von der Firma Gebrüder Link erneuert. 2003 wurde die Orgel in einem Gutachten als Denkmalorgel eingestuft.

Die letzte umfassende Renovierung der evangelischen Kirche unter Denkmalgesichtspunkten fand in den Jahren 2004-2005 und 2010 (Außenfassade), die der katholischen 2008 bis 2009 statt. Letztere steht ebenfalls unter Denkmalschutz.

Anmerkungen:

1) Haberkern, Eugen/Wallach, Joseph Friedrich: Hilfswörterbuch für Historiker. Mittelalter und Neuzeit, Bd. 2, Tübingen 1980 (6. Aufl.)

2) Walter Czysz: Klarenthal bei Wiesbaden. Ein Frauenkloster im Mittelalter, Wiesbaden 1987.

3) Ausführlich zur Geschichte der Weiseler Kirchen siehe Forschungsgruppe Weiseler Geschichte: Das Dorf Weisel. Öffentliche Gebäude und öffentliches Leben, Weisel 2017

4) Schaab, Meinrad: Geschichte der Kurpfalz, Stuttgart, Band 2, Berlin, Köln 1992.