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Johann Anton Leidung/Leuding (1793-1832)

Sergeant im Herzoglich 1. Regiment in Weilburg

Johann Anton Leidung erlangte traurigen Ruhm, weil er am 08. Dezember 1827 an dem Mord an Adolph Vigelius aus Wiesbaden, einem Kadetten und Offiziersanwärter des 1. Bataillons des 1. Herzoglich-Nassauischen Infanterieregiments in Weilburg beteiligt war, dem sogenannten "Weilburger Kadettenmord", der jahrelang in ganz Nassau Aufsehen erregte.

Johann Anton wurde in Weisel am 25.12.1793 als Sohn von Johann Philipp Leidung (oder Leuding, die Schreibweise variiert) und dessen Ehefrau Maria Catharina Reitershan in der Frankreicher Straße geboren. Wann genau er zum Nassauischen Militär nach Weilburg gezogen wurde und wie lange er dort diente, ist (noch) nicht bekannt, in jedem Fall hatte er es dort 1827 bis zum Sergeanten gebracht.

Im November und Dezember 1827 schmiedete einer der älteren Unteroffiziere, der Sergeant Matthias Trapp von Rüdesheim, einen Mordplan gegen den jungen Kadetten Vigelius aus Wiesbaden, der von zu Hause 40 Gulden und einige Wertgegenstände mitgebracht hatte. Trapp gelang es, mehr als 40 weitere Soldaten und seine Geliebte in seine Mordpläne einzuweihen und zu Mittätern zu machen, gemeinsam erstachen und erschlugen sie Vigelius und fügten ihm über 50 Wunden zu, als dieser in die Stadt gehen wollte, um sich eine neue Uniform schneidern zu lassen. Leidung war an dem brutalen Mord selbst nicht direkt beteiligt, war aber eingeweiht und stand an der falschen Stelle Wache, damit die Mörder ungestört blieben.

Nach langwierigen Untersuchungen wurden die Täter überführt und vor Gericht gestellt, vier von ihnen, darunter der Rädelsführer Trapp und Anton Leuding, wurden, "weil die Unterofficiere die Strafbarsten seyen", schließlich in Weilburg am 08.06.1832 öffentlich hingerichtet, die anderen erhielten zum Teil hohe Zuchthausstrafen.

Rudolf Müller hat auf seiner Internetseite zur Stadt Weilburg an der Lahn einiges an Material zu diesem Fall gesammelt (siehe unter www.weilburg-lahn.info/literat/lit_ka.htm) und die Texte veröffentlicht, die zu diesem Fall erschienen sind, unter anderem die älteste Beschreibung aus dem Jahr 1827, die von Ludwig Riedel in Wiesbaden stammt, aus der auch das obige Zitat entnommen ist. Unter den von Müller veröffentlichten Texten ist auch ein Auszug aus der Zeitung "Alt-Nassau. Blätter für nassauische Geschichte und Kultur-Geschichte", einer Beilage des "Wiesbadener Tagblatts" von 1913, Nr. 9, 17. Jg., in der ein Bericht aus der Chronik der Pfarrei St. Peter in Diez abgedruckt ist, in dem der damalige Pfarrer Ernst Friedrich Adolph Keller über seine Begegnung mit Anton Leidung berichtet, den er als Seelsorger bis zur Hinrichtung begleitet hat. Ihm verdanken wir eine anschauliche Beschreibung des Delinquenten:

"Leidung aus Weisel, Amts St. Goarshausen, wurde als Mitglied der evangelischen Kirche mir übergeben. Er saß oben im Thurme in einer kleinen Stube in der Nähe des Zifferblattes und es mußte daher manche Treppe erstiegen werden, ehe man geistlichen Trost spenden konnte. Ich fand einen kleinen Mann mit kahlem Schädel, auf dessen Gesicht die Spuren der Gefangenschaft und eines tiefen Kummers aufgedrückt waren. Er war ein wohlunterrichteter Mann, der einen recht gründlichen Religionsunterricht erhalten hatte. Bei der Unterredung, die ich mit ihm anknüpfte, ging ich nach einem gewißen Plane zu Werk. Ich suchte zunächst die Hoffnung, als dürfe noch auf Begnadigung gerechnet werden, zu beseitigen, indem doch sonst eine wahre Vorbereitung auf den Tod nicht wohl zu geben war. Sodann unterredete ich mich ausführlich über Buße, Gnade und Unsterblichkeit mit ihm. Überall fand ich schöne Religionskenntnisse, besonders war sein Glaube an Unsterblichkeit so wohlbegründet und zuversichtlich, daß selbst der Religionslehrer mit wahrer Rührung seinen Äußerungen darüber zuhören konnte. Übrigens war Leidung meistens traurig gestimmt, die Thränen standen ihm oft in den Augen und er beklagte dann seine schreckliche Lage. Das Einzige, was ihn zur Theilnahme an der furchtbaren That vermocht zu haben schien, war gekränkter Ehrgeiz, der es ihn nicht wollte ertragen lassen, daß ein ganz junger Mensch und zwar wie er sich ausdrückte, "ein so armer Tropf", einem alten Soldaten vorspringen sollte. Jedoch ließ er sich nicht auf das Geständniß, daß er bei der Sache betheiligt sei, ein und immer lenkte er davon ab, sobald ich meiner Unterredung die Richtung gab, über die That selbst mit ihm zu sprechen. Leidung hatte auch allerdings bei dem Mord nicht Hand angelegt, sondern entfernt von dem Orte, wo die That geschah, auf Wache gestanden, um seine Kameraden vor Überfall zu schützen. (...) Der unglücksvolle Tag rückte aber nun mit raschen Schritten heran. Mittwoch traf schon Scharfrichter Hofmann mit seinen Henkersknechten ein und an der rothen Erde, links an dem Wege nach Limburg, wurde ein ungeheures Schaffott errichtet. Donnerstags Abend genoß Leidung das h. Abendmahl mit sichtbarer Rührung, worauf ihm von den Henkersknechten die Haare des Hinterhauptes abgeschoren und das Büßergewand angethan wurde. Er erhielt darauf die Henkersmahlzeit, auch ein Glas Wein; beides genoß er mit recht gutem Appetit. Doch wollte er mich nicht vor neun Uhr von sich lassen. Des anderen Morgens gegen 6 Uhr war ich wieder bei ihm; er sprach viel von dem Tage seiner Confirmation, seiner glücklichen Jugend und nun von seinem schmählichen Ende. In die Hand ließ ich es mir aber versprechen, nicht von dem Schaffott zu dem Volke zu reden. Gegen acht Uhr wurde uns angekündigt, daß die Wagen bereit stünden. Wir stiegen also die hohen Treppen herunter, am Schloßthore hatten schon die Domcapläne die Wagen mit ihren Delinquenten bestiegen, worauf ich dann mit dem meinigen den letzten Wagen einnahm. So setzte sich der Zug, mit Soldaten auf allen Seiten umgeben, durch die dichtgedrängten Volkshaufen in Bewegung und kam gegen 9 Uhr bei dem Schaffott an, wo bereits das ganze Regiment ein großes Carré bildete. Eine ungeheure Volksmasse hatte sich zusammengedrängt, man schätzte sie auf 20.000 Menschen. Auf dem Schaffott trat noch einmal das Kriegsgericht zusammen, das Todesurtheil wurde verlesen, einem jeden der Stab zerbrochen und vor die Füße geworfen. Die katholischen Geistlichen beteten nun noch mit ihren Delinquenten das pater noster und Ave Maria, auch ich setzte meine Unterredungen fort, worauf Leidung mit vielem Ausdruck den ersten und sechsten Vers aus dem Lied "Was Gott thut das ist wohlgetan" laut betete. Selbst Scharfrichter und Gesellen wurden dadurch in sichtbare Rührung versetzt. Doch bald ward er auf den Stuhl gesetzt, die Augen wurden ihm verbunden, noch trug er mir auf, dem Obersten von Preen in seinem Namen für so viele ihm ertheilten Wohlthaten zu danken, gab mir die Hand und nun mußte man auf einen gegebenen Wink einen starken Schritt auf die Seite thun, um außer dem Wirkungskreise des Scharfrichters zu kommen. Er traf übrigens bei meinem Delinquenten nicht gut, denn erst bei dem dritten Hiebe fiel der Kopf vom Rumpfe."

Die Geschichte des Weilburger Kadettenmordes wurde in den 1970er Jahren sogar verfilmt: Regisseur Eberhard Itzenplitz drehte für das ZDF die gleichnamige Produktion, die am 04.02.1977 erstmals gesendet wurde; den Haupttäter Trapp spielte damals der heute als "Detektiv Matula" bekannte Schauspieler Claus-Theo Gärtner.